Berlin
Lesestoff aus dem Weingut rebstoff
von Dr. Wolfgang Gerner
Berlin, das erste Wochenende im Juni. Die fine-dining-Szene in der Bundeshauptstadt hat sich in den vergangenen Jahren zum hotspot entwickelt – Jahr für Jahr entstehen neue Restaurants in denen nicht nur exzellent gekocht wird, sondern auch die Zukunft der Gastronomie neu gedacht und weiterentwickelt wird.
Wir klingeln an der unscheinbaren Tür, werden freundlich empfangen und an unseren Tisch begleitet. Das Menü beginnt mit einem Gummibär genannten snack, der aus gelber Beete zubereitet wurde. Und endet rund 16 Speisen später mit Kakao 76%, einem zartdünnen Blättchen hausgemachter Schokolade. Dazwischen weder Fisch noch Fleisch, kein Brot und vor allem: nicht die Spur von Langeweile. Was René Frank, Küchenchef und Patron des Restaurants CODA, dessert-dining nennt, ist ein kurzweiliges Abenteuer in der Welt der Aromen, Texturen und Zubereitungstechniken. Was nicht nur großartig schmeckt, sondern auch die Fantasie bemüht, zum Nachdenken anregt, den Verstand herausfordert. Rund die Hälfte der Gänge werden begleitet von Pairing Drinks, eigens auf den Gang abgestimmten, kleinen Getränken, die immer aus drei Komponenten zusammengefügt werden. Ein Gesamtkunstwerk, wohldurchdacht bis hin zur playlist (weval!), sorgsam choreografiert und exakt ausgeführt. Umwerfend!
Auch am Nobelhart&Schmutzig lässt es sich ohne weiteres vorbeigehen. Ein Aufkleber auf dem Fenster eines Schaufensters, daneben eine Klingel. Mehr nicht. Die Begrüßung einladend und freundlich, der Wirtsraum in eine fiebrige Atmosphäre gehüllt, dämmrig und spannungsgeladen. Unsere Plätze sind an der langen Bar, kaum das wir gesetzt sind, erhalten wir erste Informationen von Alexander Jordt, dem Sommelier. Er ist präsent, sachkundig wie humorvoll und dabei angenehm unaufdringlich. Und gibt einen besonderen Takt vor: Im Laufe des Abends werden wir nicht nur 11 spannende Gänge serviert bekommen, sondern auch einen Teil des Teams des Restaurants kennen lernen, ruhige, wohltuende Menschen, die stolz auf Ihre Arbeit sind. Die Speisen sind ausgezeichnet, ob Weißer Spargel/Robinie, Radieschen /Liebstöckel oder Perlhuhn/ Salbei, man isst unkompliziert und gut. Und wird Teil einer großartigen Aufführung, in der sich alles um Essen und Trinken dreht. Was für ein wunderbarer Abend. Hingehen!